Sir Prolog

בן־סירא

בן־סירא
Sirach

Bibelwissenschaft
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Der Prolog des Sirachbuches

Lit:
R.P.C. Spicq, L'Ecclésiastique, in: L. Pirot; A. Clamer (Hg.), La Sainte Bible, Tom. 6, Paris 1951, 529-841: 557-561; Orlinsky, Prologue (Anm. 46), 483-490; O. F. Fritzsche, Die Weisheit Jesus-Sirach's. Erklärt und übersetzt (Kurzgefasstes exegetisches Handbuch zu den Apokryphen des Alten Testamentes. Fünfte Lieferung), Leipzig 1859,1-6; P.W. Skehan, A.A. Di Lella, The Wisdom of Ben Sira (AncB 39), New York 1987, 131-135; R. Smend, Die Weisheit des Jesus Sirach, Berlin 1906, 489, 1-5; G. Dorival; M. Hare; O. Munnich, La Bible grecque des Septante. Du judaïsme hellénistique au christianisme ancien, Paris 1994, 86-89; Franz Böhmisch, Die Textformen des Sirachbuches und ihre Zielgruppen, PzB 6,2 (1997) 87-112.

Kommentar zum Prolog

Der Prolog des Enkels zu seiner griechischen Übersetzung des Sirachbuches besteht aus drei kunstvoll komponierten Satzperioden. Aus diesem Prolog wird meist die Datierung der Übersetzung und per Rückschluß die Abfassung des Originals entnommen, auf das Bewußtsein des Übersetzers von der Schwierigkeit, die hebräischen Ausdrücke in die griechische Zielsprache zu bringen, verwiesen und die dreigeteilte Kanonstruktur des Übersetzers als erste Nennung des jüdischen Kanons hervorgehoben. Außerdem bietet der Prolog eine eingehende Reflexion des griechischen Übersetzers über die Adressaten seiner Übersetzung:

Der Prolog der griechischen Sirachübersetzung


	"Da viele und große (Dinge) uns durch die Tora und die Propheten
		und die anderen diesen nachfolgenden gegeben sind, 
		deretwegen man Israel loben muß hinsichtlich Bildung und Weisheit, 
	und so nicht nur die Lesekundigen Verstehende werden sollen, 
	sondern auch denen draußen nützlich zu sein diese Lernbegierigen 
	instandgesetzt werden sollen, 
		sowohl im Reden wie im Schreiben,
ist mein Großvater Jesus,
	nachdem er sich viel Mühe gegeben hatte auf die Lesung der Tora und der Propheten
	und der anderen von den Vätern kommenden Bücher
	und sich in diesen eine hinreichende Fähigkeit erworben hatte,
vorangegangen, auch selbst etwas zusammenzuschreiben von den sich auf Bildung und Weisheit erstreckenden (Dingen), 
	auf daß die Lernbegierigen und die beharrlich Gewordenen in vielem besser vorangehen können durch das toragemäße Leben.
Laßt euch also aufrufen,
	mit Wohlwollen und Aufmerksamkeit die Lesung durchzuführen
	und ein Zugeständnis zu machen,
		wo es unter Umständen so scheinen könnte,
	- obwohl zur Übersetzung viel Fleiß aufgewandt wurde -
		daß einige der Lesarten unfähig seien;
nicht nämlich bedeutet es das gleiche,
	ob etwas zunächst in hebräischen Worten gesagt wurde
	und dann übersetzt wird in eine andere Sprache;
nicht nur aber dieses, sondern auch selbst die Tora und die Prophetien
und die übrigen der Bücher haben keinen kleinen Unterschied in dem, wie sie gelesen werden.
Im 38. Jahr des Königs Euergetes nämlich 
	als ich ich nach Ägypten gekommen war und mitlebte,
	fand ich einer nicht gerade kleinen Bildung Vergleichbares vor; 
um so notwendiger habe ich es gehalten, auch selbst einen gewissen Eifer dranzusetzen
und Fleiß in der Übersetzung dieses Buches, 
	so daß ich viel Schlaflosigkeit und Geschicklichkeit drangesetzt habe in der Zwischenzeit, 
das Buch zur Vollendung zu führen, um es herauszugeben auch um deretwillen, 
die in der Fremde lernbegierig sein wollen, 
	um zugerüstet zu sein zu einer Haltung, das Leben toragemäß zu führen."

  1. Es läßt sich ein einheitliches Verständnis des Prologs gewinnen:
  2. Der Übersetzer ist sich des Unterschiedes seines Werkes von der hebräischen Vorlage seines Großvaters ebenso bewußt wie er sich des Unterschieds zwischen der Septuaginta und dem hebräischen Text der Tora, der Propheten und der Schriften bewußt ist. Diesen nicht geringen Unterschied nimmt er für sein Ziel in Kauf und stellt implizit seine Übersetzung neben die schon bekannten Septuaginta-Bücher.
  3. Der Übersetzer gibt explizit seine und Ben Siras Zielgruppen an. Von Ben Sira sagt er, daß dieser sein Werk im Anschluß an die Lektüre der ererbten Schriften zusammenstellte, damit "so nicht nur die Lesekundigen Verstehende werden sollen, sondern auch denen draußen nützlich zu sein diese Lernbegierigen instandgesetzt werden sollen, sowohl im Reden wie im Schreiben." Die Zielgruppe Ben Siras wird also vom Enkel in den toragelehrten Schreibern gesehen, die durch Ben Siras Werk nicht nur selber Bildung erwerben sollen, sondern auch die Befähigung, diese Bildung an die Außenstehenden (nämlich außerhalb der Torakundigen) weiterzugeben. Der Übersetzer übernimmt damit das Selbstverständnis Ben Siras, das dieser zugleich als Idealtypus des toragebildeten Weisen vorstellt, der nicht nur für sich weise ist, sondern seine Weisheit weitergibt.13 Der Enkel sieht seine Aufgabe als Fortsetzung des Projektes seines Großvaters in einem anderen Kontext an und hat daher auch eine andere Zielgruppe. Er gibt seine Übersetzung für jene heraus, "die in der Fremde lernbegierig sein wollen".
  4. "Denen draußen" bzw. "in der Fremde" wird also von seiner Erfahrung her konkretisiert. Die Übersetzungsaufgabe ist für ihn umso dringlicher, da er in Ägypten "einer nicht geringen Bildung Vergleichbares" vorfindet. Einerseits will er damit an die hohe Bildung der Diasporajuden anknüpfen, andererseits auch in der Konkurrenz mit der hohen Bildung im Gastland die jüdische Weisheitstradition der hellenistischen Bildung als gleichwertig entgegensetzen (Anspielung auf Dtn 4,6). Seine Übersetzung ist also auch apologetisch motiviert. Er versteht sich und seine Leser als Multiplikatoren.
  5. Die dritte Satzperiode und damit der Prolog gipfelt in der Explizierung des textpragmatischen Ziels des Übersetzers in Richtung von Lesern und Hörern, "zugerüstet zu sein zu einer Haltung, das Leben toragemäß zu führen." Ebenso gipfelte die erste Satzperiode mit der Darstellung der Absicht seines Großvaters für dessen Zusammenstellung eines Bildungs- und Weisheitsbuches darin, "daß die Lernbegierigen und die beharrlich Gewordenen in vielem besser vorangehen können durch das toragemäße Leben". Das Projekt des Übersetzers will also (dem Enkel zufolge) dasselbe bewirken wie das originale Werk: ein torakonformes Leben der Lernbegierigen, nur diesmal in der Fremde fern von Israel.

Abkürzungen

Vgl. zu Umfang und Aufbewahrungsort der einzelnen Handschriften P.C. Beentjes, The Book of Ben Sira in Hebrew. A text edition of all extant Hebrew manuscripts and a synopsis of all parallel Hebrew Ben Sira texts (VT.S 68), Leiden-New York-Köln 1997, 13-19.

Sir Hebr I Primäre hebräische Textform des Sirachbuches [Grundlage für Sir Gr I ]
Sir Hebr II Erweiterte hebräische Textform des Sirachbuches [Grundlage für Sir Gr II ]
Sir Hebr II+ Erweiterte hebräische Textform des Sirachbuches mit Zusätzen [Grundlage für Sir Syr ]
Sir Gr I Griechische Übersetzung des Enkels aus Sir Hebr I
Sir Gr II Griechische Rezension/Übersetzung aus Sir Hebr II
Sir Syr Syrische Übersetzung
Sir Syr Rev Revidierte Syrische Übersetzung mit Korrekturen nach griechischen Texten (=Peshitta)
Sir Syr hex Syrohexaplarische Übersetzung aus Sir Gr II (O-Rezension)
Sir VL Vetus Latina: lateinische Übersetzung
Sir Vulg Vulgata-Editionen, basierend auf Vetus Latina
Sir Mas Der hebräische Sirachtext aus Masada
Ms. A-Ms. F Handschriften aus der Geniza von Kairo
2Q18 Handschriftenfragment (Sir 6,14-15.20-31) aus der Höhle 2 in Qumran.
11 QPsa Psalterhandschrift (Sir 51,13-20.30b) aus der Höhle 11 in Qumran.
In der Literatur häufig verwendet (und hier aus praktischen Gründen aufgenommen)
Sir I Sammelsiglum für den sirazidischen Grundbestand des Sirachbuches
Sir II Sammelsiglum für die erweiterten Textformen des Sirachbuches


Sir 1 Bibliographie Bibelwissenschaft Sir 1

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Franz Böhmisch bemerkt zu diesem Kapitel:
Thierry Legrand, Siracide (syriaque) 1,20c-z: une addition syriaque et ses résonances esséniennes. in: Christian-Bernard Amphoux/Albert Frey/Ursula Schattner-Rieser(Hg.), Études sémitiques et samaritaines. FS Jean Margain(Histoire du texte biblique 4), Lausanne 1998, 123 - 134.

Franz Böhmisch <boehmisch@animabit.de> bemerkt zu diesem Kapitel:
Cyrille Aslanoff, Les prologues conservés du Siracide, in: Jean-Daniel Dubois/Bernard Roussel, Entrer en matière. Les prologues, Paris 1998, 167-183.

Franz Böhmisch <boehmisch@animabit.de> bemerkt zu diesem Kapitel:
N. G., Discenza, "Wise wealhstodas", The Prologue to Sirach as a Model for Alfred's Preface to the Pastroal Care, in: Journal of English and German Philology 97,4 (1998) 488-499.

Franz Böhmisch <boehmisch@animabit.de> gibt zu diesem Kapitel folgenden Kommentar:
Auf Ihre Kommentare zum Sirachbuch bin ich schon sehr gespannt!

Ihr Kommentar zum griechischen Sirachprolog

 


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